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Die Arbeit eines Erziehers während der Coronakrise – Interview

Das Interview wurde geführt mit dem Erzieher Ulrich Steffens, der in einem Wohnheim für behinderte Menschen arbeitet. Den Ort und die Namen der Menschen, die da leben, dürfen wir aus rechtlichen Gründen nicht nennen.

Ulrich Steffens, Sie arbeiten in einem Behindertenheim. Warum haben sie sich für diesen Beruf entschieden?

Nach der Ausbildung zum Industriemechaniker, habe ich einen Zivildienst in einem Kinder/Jugendheim abgeleistet. Obwohl ich in dieser Zeit dem Hausmeister unterstellt war, habe ich sehr schnell gemerkt, dass mir die Arbeit mit Menschen viel mehr Spaß macht als mit Materialien. So ist in mir schnell der Entschluss gewachsen eine zweite Ausbildung zum Erzieher zu absolvieren. Während der Ausbildung zum Erzieher habe ich sehr schnell gemerkt, dass mir die Arbeit mit behinderten Menschen am ehesten liegt. Seit meinem Anerkennungspraktikum arbeite ich in diesem Bereich.

Wie beansprucht Corona das Leben und die Arbeiten im Heim, im Vergleich zu vorher und was hat sich verändert?

Im ersten Lockdown, im Frühjahr 2020 wurde die WfbM (Werkstatt für behinderte Menschen) geschlossen. Das war für alle Bewohner und Mitarbeiter eine große Umstellung, da die Bewohner jetzt auch vormittags im Haus waren. Außerdem galt es, die Hygienemaßnahmen umzusetzen, die uns allen bis dahin völlig neu und fremd waren. Auf Grund der vorgeschriebenen Abstandregeln wurden ab sofort alle Mahlzeiten in zwei Gruppen im großen Gemeinschaftsraum eingenommen. Um den Bewohnern eine feste Tagesstruktur zu geben, haben wir begonnen auf dem Grundstück Arbeiten durchzuführen, für die wir sonst keine Zeit haben. Außerdem sind die Bewohner oft nach der Arbeit in der WfbM müde. Einige dieser Arbeiten waren: das Pflastern eines Weges zur Grundstücksgrenze und das Holen von Feldsteinen, die zum Verkleiden einer Betoneinfassung, die als Blumenbeet dient, zu verschönern. Es wurden Nistkästen, zwei Komposteinfassungen und vieles mehr gebaut.

Wie kommen sie und ihre Kollegen mit der Lage momentan zurecht?

Inzwischen hat sich eine gewisse Routine eingestellt. Es ist so etwas wie eine neue „Normalität“ entstanden. Viele Hygienemaßnahmen, wie z.B. das ständige Desinfizieren von Tischen und Handläufen und die Ausgabe von Mahlzeiten in Buffetform hinter einer Plexiglasscheibe gehören zum täglichen Ablauf. Trotzdem nehmen diese ganzen erforderlichen Maßnahmen viel Zeit in Anspruch. Zeit, die teilweise für die individuelle Förderung der Bewohner nicht mehr zu Verfügung steht.

Was sagen die Bewohner zu der Situation im Heim?

Die Bewohner sehnen sich zunehmend nach der Zeit vor Corona zurück, insbesondere die sozialen Kontakte außerhalb der Wohneinrichtung werden sehr vermisst. Sie empfinden die erforderlichen Maßnahmen teilweise als sehr störend.
Gern würden sie wieder Urlaubs- oder Tagesfahrten angeboten bekommen, zum Volkshochschulkurs oder ins Kino gehen. Auch das ständige Tragen einer FFP 2 Maske in ihrem Zuhause wird als nervig empfunden.

Wie wirkt sich die empfohlene Kontaktbeschränkung auf die Bewohner aus, ich meine das sind ja erwachsende Menschen und sie haben auch Familie.

Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist sehr eingeschränkt. Das Einkaufen, das Besuchen von Familienangehörigen und Freunden, das Fahren in den Urlaub, das Besuchen von Konzerten usw. sind nur noch sehr eingeschränkt oder gar nicht möglich. Dadurch fühlen sich die Bewohner eingeengt in ihrer Freizeit.

Vielen Dank, dass sie sich Zeit für dieses Interview genommen haben.

Von Pauline Steffens
Klasse: 8
Jeetzeschule in Salzwedel